Donnerstag, 1. März 2012

Das Mädchen mit dem Perlenohrring

Rezension des Buches


Der Roman "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" von Tracy Chevalier aus dem Jahre 1999 erzählt von dem hübschen Mädchen Griet, das nach der Erblindung ihres Vaters als Dienstmagd in der vermeintlich wohlhabenden Familie des Malers Vermeer arbeiten soll. Die Geschichte beruht auf dem realen Gemälde "Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge" desselben Künstlers. Die Identität der dort abgebildeten jungen Frau ist ungeklärt, weshalb Tracy Chevalier sie neu erschuf - obwohl viele der Charaktere tatsächlich existierten, ist die Handlung frei erfunden.
Griet soll in dem Atelier des Malers putzen - dieses zu betreten ist jedoch schon ein Privileg, der sonst beinahe niemandem des Hauses zuteil wird und Griet wird schon bald von allen weiblichen Personen der Familie stark beobachtet. Sie hegt eine naive Schwärmerei für ihren Hausherren und obwohl sie keinerlei Aufsehen erregen mochte, freut sie sich, als Jan Vermeer sie anweist, nicht nur zu putzen, sondern auch seine Farben zu mischen und Probe als Modell zu sitzen, falls nötig. Griet fühlt sich zwischen ihren Aufgaben im Haus und den Bitten ihres Herren hin- und hergerissen, doch schon bald siegt das Interesse über die Kunst und die ihr unbekannte Welt der Farben. Früh muss Griet jedoch feststellen, dass nicht nur Jan Vermeer, sondern auch dessen Gönner Van Ruijven und der junge Schlächter Pieter Interesse an ihr zeigen. Doch die Frage, welches Interesse aufrichtig und welches nur so lange besteht, wie es einen Nutzen hat, bleibt lange im Raum stehen.
 Der liebevolle und als gut recherchiert geltende Roman "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" stellte für mich eine wirkliche Freude beim Lesen dar. Ganz barockuntypisch sind die Gemälde Jan Vermeers als einfach und wenig prunkvoll beschrieben, sowie die Umstände, unter denen Griet lebt. Die Emotionen, die das junge Mädchen hegt, sind realistisch, für das Alter sehr nachvollziehbar und mit dem Ansteigen der Handlung gut aufgebaut. Man möchte Griet förmlich raten, die Zuneigung zu ihrem Herrn aufzugeben und sich den Menschen zuzuwenden, die das Beste für sie wollen. Die gesamte Kulisse fesselt einen trotz komprimierter 278 Seiten und man wünscht sich, mehr über den Künstler Vermeer, dessen Bilder und Leben zu erfahren. Durch den einfachen Stil Chevaliers lässt sich der Roman sehr gut zwischendurch lesen, man kann ihn aus der Hand legen und später direkt wieder in die Handlung eintauchen. Leider ist das ganze Buch wirklich sehr simpel gestaltet und an der ein oder anderen Stelle hegt man den Wunsch, dass tiefer in der Handlung gegriffen wird, als es tatsächlich der Fall ist. Manche Personen werden nur angerissen und sind flacher, als sie sein könnten; Die Hauptpersonen jedoch werden in angemessenem Licht beleuchtet und nachvollziehbar gestaltet. Auch zeittypische Phänomene werden mit einbezogen, wie beispielsweise ein spätes Auftauchen von Pest und der indirekte Kampf zwischen Katholizismus und Evangelismus. So wirkt die gesamte Handlung geschickt in die Zeit eingebaut und somit greifbar.
"Das Mädchen mit dem Perlenohrring" ist verträumt und sprachlich weniger anspruchsvoll als inhaltlich, was der Schönheit der Geschichte jedoch kaum einen Abbruch tut. Für Kunstinteressierte, Vielleser und Historienbegeisterte ist Tracy Chevaliers Roman also ein 'Muss'.