Dienstag, 19. November 2013

Die Eigenschaft des Zuhörens

Oder: Besuch beim Orthopäden

Seit ich an die 30kg abgenommen habe, laufe ich. Jeden Tag um die sechs Kilometer, meist in 32 Minuten oder so. Seit einem knappen Jahr tritt in meinem rechten inneren Unterschenkel ein ziehender diffuser Schmerz auf, der nicht sehr schlimm ist, aber dennoch nervt und den Spaß erheblich mindert. Warum also nicht mal jemanden aufsuchen, der Ahnung hat?
Erfahrungen von vor 3-4 Jahren hinderten mich länger daran, heute wurde es dann doch mal Zeit. Nachdem ich von einem Orthopäden zu seinem Chef geschickt wurde, weil ihm das Krankheitsbild unbekannt ist, dieser auch läuft "und sich über mich freuen wird", hegten sich die ersten kleinen Zweifel.
In der Tat untersuchte besagter Chef zunächst Kniekompensationshaltungen und Fußfehlstellungen, da mein Schmerz "lediglich ein Symptom sei" - so weit so ... weitblickend. Als er mir dann jedoch Tipps gab, wie man im Internet leichter an billigere top-Schuhe gelangt und sich 10 Minuten lang über seine neuste Errungenschaft auslies, dabei dann auch noch vergaß, mich überhaupt zu behandeln, wurden aus jenen keimenden Zweifeln ziemlicher Missmut. Mit ein paar kritzeligen Notizen schickte er mich weiter.
Auch die Dame, die mir eine Elektrische Nervenstimulation andrehte, sprach ausschließlich von meinem Knieschmerz. "Nein", insistierte ich "es schmerzt im Unterschenkel. Innen. Ausschließlich beim Joggen."
Mit Stirnrunzeln und Kopfnicken wurde dies verzeichnet, noch ein paar Zettel ausgefüllt, Sporteinlagen verschrieben und ein Röntgenschein ausgestellt.

Diagnose auf dem Röntgenschein? Femoro-paellares Schmerzsyndrom. Was so viel heißt wie vorderer Knieschmerz.

Ich war bei einem der zehn führenden Orthopäden in Berlin.

Montag, 5. August 2013

Luftliebe - Aerophilia Festival 2013













Das Aerophilia-Festival 2013 - 3 Tage lang 30° und drei Nächte lang klarer Sternenhimmel, dazu auf vier Bühnen stetiger Bass. Direkt neben dem Gelände mit der größten Abraumförderbrücke eines Braunkohleabbaus liegt ein See, der nach durchtanzten Stunden eine wunderbare Abkühlung bietet. So müssen Sommerwochenenden sein! :)

Mittwoch, 17. Juli 2013

And so bare is my heart, I can't hide pt. II



Momentan gefällt es mir, humane Merkmale mit geometrischen Formen zu kombinieren; sie nicht unbedingt zu verbinden, aber Elemente von beidem aufzugreifen, ohne jedoch auf die Perfektion der vermeintlich mathematischen Teile zu bestehen. How pretentious.

Donnerstag, 4. Juli 2013

Montag, 24. Juni 2013

Neulich im Bürgeramt

Weshalb ich diese Institution letztens in brüllender Hitze aufsuchten musste, ist irrelevant, da solchen Besuchen meist ein persönliches Unterfangen zugrunde liegt - wie ich bis zu eben diesem Termin annahm. Entkräftet wurde dies jedoch durch die verblüffend positiv gestimmte Mitarbeiterin, die mich zu sich an den Tisch rief. Vor mir stand gerade noch ein junger Mann auf, der zwei Minuten, nachdem ich mich gesetzt hatte, auch noch einmal zu uns trat. Er fragte die Dame danach, wie genau er denn auf dem Bild zu gucken habe, das er im Begriff war, schießen zu lassen. Lächelnd leierte sie noch einmal alle wichtigen Punkte herunter.
Als der junge Mann gegangen war, wollte ich mit dem Grund meiner Visite fortfahren, doch die Frau mir gegenüber seufzte, dann sagte sie: "Ging um seinen Führerschein, den er beantragen will. Sinnlos, er wird eh abgeschoben."

Montag, 13. Mai 2013

Eindrücke April & Mai


 

 



Frühling - die Jahreszeit der Wiedergeburt und des aufkommenden Farbenreichtums, durchsetzt mit den letzten Zügen winterlichen Graus. Wind und Sonnenschein wechseln sich so schnell ab, dass die Ambivalenz dieser Zeit durchweg präsent ist. Aber was gibt es schöneres, als zu sehen, wie sich alles, manches schneller, manches langsamer, um einen herum auf den Sommer einstimmt?

(Bilder: Entstanden in Reutlingen (BW))

Montag, 18. März 2013

Freundschaft. Oder so.

Durch die praktische Erfindung der social media ist es jedem jederzeit möglich, den Kontakt zu denen seiner 354 Freunde zu intensivieren, die man gern hat und gleichzeitig den Austausch zu denen zu verhindern, die nur die Anzahl der Freunde nach oben treiben. Neben dieser effizienten Möglichkeit der Selektion im Bekanntenkreis kommt jedoch noch der Vorteil hinzu, wieder mit alten Schulfreunden zu kommunizieren, mit denen man sich vor einer Dekade mal ein Schulbrot geteilt hat. Unbeachtet bleibt dabei, weshalb man mit der ehemaligen Zwangssitznachbarin seit fünf Jahren kein Wort mehr gewechselt hat und man kann auf die Idee kommen, sich auf einen Kaffee zu treffen und alte Zeiten wieder aufleben zu lassen.
Schon bei der obligatorischen Umarmung zur Begrüßung besinnt man sich dann jedoch auf alte Differenzen, die im unverbindlichen Chatroom vergessen worden sind, und beschließt kurzerhand, die letzten Urlaubsfotos auf seinem iPad-Mini zu zeigen, um eventuellen Gesprächspausen direkt präventiv entgegenzuwirken. Dass es dazu gar nicht erst kommt, weil das Gegenüber mehr Interesse an seinem Smartphone zeigt, als an dem tiefgreifenden freundschaftlichen Kontakt, wird zunächst gespielt freundlich ignoriert. Mit persönlichen Fragen wie „Hey, was machst du eigentlich gerade so, wie geht’s deiner Schwester überhaupt?“, versucht man dann das Gespräch einzuleiten, während die lang vergessene Freundin hingebungsvoll kaugummikauend in das Geschehen auf ihrem Display vertieft ist. Ein gemurmeltes „Jaja, Moment“ zeigt dann zumindest, dass das Gesagte wenigstens akustisch angekommen ist. Nach kurzem überlegenden Nägelkauen beugt man sich dann doch der technischen Innovation: „Was guckst du denn da?“, lautet die Interesse suggerierende Frage, deren Antwort ernüchternder als erhofft ist. Ein im Kreis tanzender Affe auf YouTube ist das Objekt der ungeteilten Aufmerksamkeit. Über den Schmerz hinweg sehend, dass man selbst nicht einmal mit einem wackeligen Video konkurrieren kann, lehnt man sich seufzend aufgebend in den Sessel zurück und nippt am Kaffee. Das nächste mal, bevor man sich auf ein derart gewagtes Wiedersehensexperiment einlässt, werden bitte noch die Interessensangaben bei Facebook gecheckt!

Donnerstag, 21. Februar 2013

eine Hommage


Als Dankeschön für eure super lieben Bewertungen und Kommentare, möchte ich euch jetzt schon die als Leinwand umfunktionierte Holzplatte (ca 1x0.5m), zeigen, auf der mit Dispersionsfarbe perfekt meine Lust auf den Frühling ausgedrückt ist!
Dies ist das erste nicht auf Papier mit Bleistift entstandene Bild, was ich euch zeige. Ihr könnt mich ja wissen lassen, ob euch diese Hommage an einen der bekanntesten und einflussreichsten Impressionisten gefällt.

Die sehr stark abweichenden Farbnuancen sind übrigens gewollt, da sie den Kontrast und die Intensität verstärken sollen und dem Zweck, dem das Bild dienen soll, gerecht werden.

Freitag, 15. Februar 2013

Als ob man die Zeit totschlagen könnte, ohne die Ewigkeit zu verletzen..

 - Henry David Thoreau

"Nichts mehr als einer, der sich mit der Angst, seine Pflichten wahrnehmen zu müssen, aus der Welt flüchtet", sagen die einen, "ein großer Mann, der sich den Zwängen der Gesellschaft entzieht und die Besitztümer im Leben auf das Wichtigste herunterbricht und somit 'Notwendigkeit' neu definiert", sagen die anderen.

Ich habe Thoreau gelesen. Vor Ewigkeiten und auf Englisch. Für Demonstrationszwecke habe ich mich seiner erneut angenommen, diesmal auf Deutsch und mit einem analytischeren Hintergrund, als zuvor.
"Walden oder Leben in den Wäldern" heißt Henry David Thoreaus bekanntestes Werk aus dem Jahr 1854, das sich mit vielerlei Dingen, die sich die kommerzielle Konsumgesellschaft nicht vor Augen zu halten wagt, befasst.



Thoreau taucht auch in moderner oder weitestgehend moderner Kunst auf; Man denke nur an "into the wild" oder "Der Club der toten Dichter". Aber wenn ich in meinem Umfeld erzählte, dass ich mich mit einem der wohl interessantesten Autoren seit der Romantik beschäftigte und den Namen meiner Entdeckung nannte, las ich nicht selten Fragezeichen in den Augen meines Gegenübers. Um diese in Punkte oder gar Ausrufezeichen verwandeln zu können, referierte ich meist kurz über den Inhalt, um dann Begeisterung verbreiten zu können - die zu meiner Enttäuschung jedoch meist ausblieb. Entweder ist also mein Erzählstil enorm einschläfernd oder die Theorie Thoreaus ist schlichtweg nicht mehr aktuell und ich bin lediglich nostalgisch.

Thoreau, 1817 geboren, wohnte, bis fast zu seinem 30. Lebensjahr, in Massachusetts, um dann für zwei Jahre in eine selbst errichtete Blockhütte an den Walden-See zu ziehen. Ohne jeglichen Luxus lebte er beinahe frei von jenen gesellschaftlichen Einflüssen, die er so stark kritisierte. Alles, was er besaß, war mit eigenen Händen gebaut, geerntet und gepflanzt. Thoreau wollte herausfinden, wie notwendig tradierte Werte denn wirklich seien und ob sie uns denn nicht nur daran hinderten, ein vollkommenes und freies Leben zu führen. Er fragte sich, ob es denn wirklich die Besitztümer seien, die uns Menschen glücklich machen oder ob Minimalismus nicht viel erstrebenswerter sei als Überfluss und die Dekadenz der Besitzenden.

Auch im 20. Jahrhundert stießen diese teils beantworteten, teils nur Überlegung gebliebenen Ansätze auf großen Zuspruch - sogar Gandhi berief sich auf den amerikanischen Autor und Philosophen.
Dies leitet mich nunmehr erneut zu der Frage, weshalb die Thesen Thoreaus in meinem Umkreis auf wenig Euphorie treffen - denn gerade in der Zeit der immer schneller voran schreitenden Globalisierung und Technisierung sollte die Frage nach der allgemeinen Notwendigkeit in unserer Überflussgesellschaft nicht untergehen: Brauche ich das Iphone5 wirklich? Brauche ich diese neue Espressomaschine mit integriertem Schlagsahnerührgerät? Brauche ich jeden meiner fünfhundert Fernsehsender mit HDTV und Surroundboxen im ganzen Wohnzimmer?
Obwohl diese Fragen nicht darauf abzielen, in jedem Fall beantwortet zu werden, so könnte man es doch ganz leicht mit "nein" tun. Und zwar durch jeden von uns. Denn wenn sich Notwendigkeit durch einen Aspekt auszeichnet, dann durch "Maß" statt "Masse". Und dennoch ist das einzige, was man überall sieht, wenn man sich umschaut, dass die Menschen das präsentieren, was sie gerade gekauft haben (um einmal ganz subtil auf die Fülle von Fashionblogs und co anzuspielen). Vor diesem Hintergrund beschäftigt mich eine Frage also ganz besonders: Wenn man den Leuten all ihre materiellen Dinge nehmen würden, die nur auf Status abzielen, wie würden sie sich dann selbst definieren?

Am Liebsten würde ich diese Frage einfach so dahingestellt lassen, nur, um ihr Intensität zu verleihen. Aber das wäre schlichtweg unfair, denn ich wollte dem geneigten Leser lediglich meinen Freund Thoreau näher bringen oder zumindest vorstellen.
Das Entziehen des gesellschaftlichen Werte- und Normenpakets scheint auf jeden Fall zu funktionieren. Zumindest hat es vor mehr als 150 Jahren funktioniert, als die Welt noch weniger vernetzt war und noch nicht in permanentem Kontakt miteinander stand. Einem jeden sollte zumindest Respekt gezollt werden, der es schafft, seinen Luxus gegen nichts mehr als Unerlässlichkeiten zu tauschen oder dies vorübergehend zu versuchen. Denn mal ehrlich: Niemand, der wie wir Priviligierten, leidet allzu sehr darunter.


Der Mensch ist umso reicher, je mehr Dinge er lassen kann. -Thoreau