Montag, 18. März 2013

Freundschaft. Oder so.

Durch die praktische Erfindung der social media ist es jedem jederzeit möglich, den Kontakt zu denen seiner 354 Freunde zu intensivieren, die man gern hat und gleichzeitig den Austausch zu denen zu verhindern, die nur die Anzahl der Freunde nach oben treiben. Neben dieser effizienten Möglichkeit der Selektion im Bekanntenkreis kommt jedoch noch der Vorteil hinzu, wieder mit alten Schulfreunden zu kommunizieren, mit denen man sich vor einer Dekade mal ein Schulbrot geteilt hat. Unbeachtet bleibt dabei, weshalb man mit der ehemaligen Zwangssitznachbarin seit fünf Jahren kein Wort mehr gewechselt hat und man kann auf die Idee kommen, sich auf einen Kaffee zu treffen und alte Zeiten wieder aufleben zu lassen.
Schon bei der obligatorischen Umarmung zur Begrüßung besinnt man sich dann jedoch auf alte Differenzen, die im unverbindlichen Chatroom vergessen worden sind, und beschließt kurzerhand, die letzten Urlaubsfotos auf seinem iPad-Mini zu zeigen, um eventuellen Gesprächspausen direkt präventiv entgegenzuwirken. Dass es dazu gar nicht erst kommt, weil das Gegenüber mehr Interesse an seinem Smartphone zeigt, als an dem tiefgreifenden freundschaftlichen Kontakt, wird zunächst gespielt freundlich ignoriert. Mit persönlichen Fragen wie „Hey, was machst du eigentlich gerade so, wie geht’s deiner Schwester überhaupt?“, versucht man dann das Gespräch einzuleiten, während die lang vergessene Freundin hingebungsvoll kaugummikauend in das Geschehen auf ihrem Display vertieft ist. Ein gemurmeltes „Jaja, Moment“ zeigt dann zumindest, dass das Gesagte wenigstens akustisch angekommen ist. Nach kurzem überlegenden Nägelkauen beugt man sich dann doch der technischen Innovation: „Was guckst du denn da?“, lautet die Interesse suggerierende Frage, deren Antwort ernüchternder als erhofft ist. Ein im Kreis tanzender Affe auf YouTube ist das Objekt der ungeteilten Aufmerksamkeit. Über den Schmerz hinweg sehend, dass man selbst nicht einmal mit einem wackeligen Video konkurrieren kann, lehnt man sich seufzend aufgebend in den Sessel zurück und nippt am Kaffee. Das nächste mal, bevor man sich auf ein derart gewagtes Wiedersehensexperiment einlässt, werden bitte noch die Interessensangaben bei Facebook gecheckt!